Ein Beitrag in der FAZ mit der Überschrift „Der vollautomatische Kfz-Sachverständige“ hat in den letzten Tagen zumindest für etwas Verunsicherung gesorgt, da der Eindruck erweckt wurde, dass der Kfz- Sachverständige künftig entbehrlich sei, da die Unfallschadenhöhe vollautomatisiert nur anhand der gefertigten Lichtbilder ermittelt werden könne.

Das britische Unternehmen Tractable habe anhand von Millionen Schäden bereits den Nachweis erbracht, dass die digitalisierte Schadenfeststellung möglich sei. Ein Vertreter der Allianz-Versicherung, die außerhalb Deutschlands das System bereits testen würde, wird mit der Aussage zitiert, dass das, was ein Mensch anhand von Lichtbildern erkennen könne, auch durch die Maschine möglich sei. Überdies wirbt beispielsweise die Allianz in Österreich mit der „Allianz Schaden Express App“ damit, das nach wenigen Sekunden feststehen würde, wie viel Geld der geschädigte Versicherungsnehmer erhält.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier durchaus auch wirtschaftliche Interessen dafür verantwortlich sein könnten, dass ein derartiger Beitrag in FAZ, FOCUS und Bild lanciert wird.

Vor einiger Zeit bereits gab es in der FAZ schon einen ähnlichen Beitrag über das „innovative Unternehmen“ ControlExpert. Auch bei diesem Beitrag drängte sich die Frage auf, warum sich ein seriöses Presseorgan ohne kritische Nachfrage zum verlängerten Arm eines einzelnen Unternehmens macht. Man geht von der These aus, dass ein Großteil der Schäden einfach gelagerte reine Blechschäden seien, die auch ohne Besichtigung digital ermittelt werden können.

Bereits diese These ist aber unzutreffend.

Die Verknüpfung reiner Blechschäden mit Beschädigungen der Fahrzeugelektronik nimmt gerade bei neueren Fahrzeugen dramatisch zu. Selbst ein Unternehmen wie Audatex als großer Datenlieferant ist aus nachvollziehbaren Gründen eine Kooperation mit Bosch eingegangen, um künftig den Sachverständigen eine integrierte Fehlerspeicherauslese anbieten zu können.

Selbst scheinbar einfach gelagerte Blechschäden entwickeln sich zu hochkomplexen Schäden, ohne dass eine derartige Entwicklung auch nur ansatzweise erkennbar gewesen wäre. Natürlich kann nicht in Abrede gestellt werden, dass eine intelligent programmierte Software in der Lage ist, ein Kalkulationsergebnis zu produzieren. Das Ergebnis dieser Kalkulation ist jedoch entscheidend davon abhängig, wer die Programmierung zu welchem Zweck vorgenommen hat.

Nicht die künstliche Intelligenz im Rahmen des Lichtbildabgleiches ist überzeugend, sondern vielmehr überzeugt die Programmierintelligenz, die dazu führt, dass die Ziele des Auftraggebers umgesetzt werden.

Gerade das Beispiel der Schadenfeststellung in Österreich ist hier bezeichnend. Bereits seit Jahrzehnten sind Kfz-Sachverständige hier im Wesentlichen tätig als verlängerter Arm der Versicherungswirtschaft mit der Folge eines Glaubwürdigkeitsverlustes, der es naturgemäß leichter macht, wenig glaubwürdige Sachverständige durch auf den ersten Blick transparente Computer zu ersetzen.

In Verbindung mit dem Lockangebot der Zahlung des schnellen Geldes muss in einem Land, in dem es unabhängige Sachverständige schon lange nicht mehr gibt, ein derartiges Model grundsätzlich positiver gesehen werden. Die Begründung des Models ist im Übrigen bizarr. Die höchstpersönliche Inaugenscheinnahme des streitgegenständlichen Objektes gehört zu den ehernen Pflichten eines Sachverständigen.

Aufgrund der höchstpersönlichen Besichtigung kann der Sachverständige weitestgehend ausschließen, dass Manipulationen stattgefunden haben, vor allen Dingen aber kann er verstandesbedingte Rückschlüsse ziehen, die mit Sicherheit nicht programmierbar sind.

Worum geht es bei diesem Thema also tatsächlich?

ControlExpert und Co. haben über ein Jahrzehnt suggeriert, dass eine Kontrolle eines Schadens ausschließlich über einen Bildschirmvergleich und über definierte Regeln möglich sei. Um allzu krasse Fehler auszuschließen, hat man mit relativ hohem Personalaufwand Menschen benötigt, die die Ergebnisse des elektronischen Vergleiches erklären und begründen. Durchgesetzt haben sich die Systeme bei der Schadenfeststellung keinesfalls.

Wenn überhaupt haben sie Kontrollfunktionen übernommen, die zuvor durch Sachverständige, die im Auftrag der Versicherer tätig waren, übernommen wurden. Diese elektronischen Kontrollfunktionen waren nicht für die Feststellung eines objektiv eingetretenen Schadens relevant, sondern für das Erreichen von Einsparpotentialen – unabhängig vom objektiv eingetretenen Schaden.